Richtlinie
Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen zum Schutz gegen Gefahren durch Altlasten und zur Wiedernutzung brachliegender Flächen (Altlasten-Förderrichtlinie)
GI.Nr. 6615.12
Bekanntmachung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung
vom 26. Mai 2021 – V 426 – 33707/2021 –
1 Förderziel und Zuwendungszweck
1.1 Das Land gewährt Zuwendungen für die Altlastenbearbeitung sowie für das Flächenmanagement und das Flächenrecycling. Die Vorhaben dienen der Verminderung der Flächen-(neu)-inanspruchnahme.
Das Land fördert die Untersuchungen und Sanierungen von Verdachtsflächen, schädlichen Bodenveränderungen, altlastverdächtigen Flächen und Altlasten gemäß § 2 Abs. 3 bis 6 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG), im Folgenden altlastverdächtige Flächen und Altlasten genannt. Die Förderung dient dem Ziel, von Altlasten ausgehende Gefahren für Mensch und Umwelt abzuwehren. Insbesondere soll die hohe Zahl der altlastverdächtigen Flächen beschleunigt reduziert werden.
Zur Wiedereingliederung altlastverdächtiger Flächen und Altlasten in den Wirtschafts- und Naturkreislauf (Flächenrecycling) können auch Maßnahmen gefördert werden, die im Hinblick auf sensiblere oder höherwertige Nutzungen erforderlich werden und damit über die Gefahrenabwehr im Sinne von § 4 BBodSchG hinausgehen, oder die im Rahmen des kommunalen Flächenmanagements die Wiedernutzung brachliegender Flächen als Ziel verfolgen.
1.2 Das Land gewährt Zuwendungen für Maßnahmen nach Nummer 1.1 nach Maßgabe dieser Richtlinien sowie der Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 44 Landeshaushaltsordnung (LHO). Sofern es sich bei der Zuwendung um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) handelt, wird sie als De-minimis-Förderung gewährt gemäß der Verordnung (EU) Nummer 1407/2013 (De-minimis-Verordnung*))in der jeweils geltenden Fassung.
1.3 Ein Anspruch der Antragstellerin bzw. des Antragstellers auf Gewährung der Zuwendungen besteht nicht. Vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel, insbesondere nach Dringlichkeit der Maßnahmen.
2 Gegenstand der Förderung
Zur Finanzierung der Untersuchungen (Nummer 2.1.3) und der Sanierung (Nummer 2.2) von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten ist grundsätzlich der Handlungs-/Zustandsstörer heranzuziehen. Ist dessen Inanspruchnahme nicht möglich, wird durch die Inanspruchnahme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder führt sie zu unbilligen Härten, trägt die zuständige Behörde die Kosten.
2.1 Gefördert werden Maßnahmen zur Untersuchung von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten:
2.1.1 Historische Erkundung als Erfassung nach § 5 Abs. 1 Landesbodenschutz- und Altlastengesetz (LBodSchG)
Die Historische Erkundung ist nach Maßgabe des Altlasten-Leitfadens Schleswig-Holstein, Erfassung, durchzuführen.
2.1.2 Orientierende Untersuchung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG und § 3 Abs. 3 Bundes-Bodenschutzund Altlastenverordnung (BBodSchV)
2.1.3 Detailuntersuchung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG und § 3 Abs. 4 und 5 BBodSchV
2.2 Gefördert werden Maßnahmen zur Sanierung von Altlasten:
2.2.1 Sanierungsuntersuchung nach § 13 BBodSchG und § 6 Abs. 1 und 3 BBodSchV
2.2.2 Sanierungsplan nach § 13 BBodSchG und § 6 Abs. 2 und 3 BBodSchV
2.2.3 Sanierungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 7 und 8 BBodSchG sowie § 5 BBodSchV einschließlich der Planungsleistungen und Bauleitung
2.2.4 Überwachungsmaßnahmen nach § 15 Abs. 2 BBodSchG
2.3 Gefördert werden folgende Maßnahmen des Flächenmanagements:
- Aufbau kommunaler Flächenmanagementkataster zur Berücksichtigung brachliegender Potenzialflächen in Planungsprozessen.
2.4 Gefördert werden folgende Maßnahmen des Flächenrecyclings:
- Untersuchungs- und Planungsleistungen,
- Sanierungsmaßnahmen (Dekontamination oder Sicherung),
- Beseitigung von Bodenverunreinigungen,
- Dekontamination von Bausubstanz einschließlich Erstellung des Schadstoffkatasters sowie Demontage und Entsorgung kontaminierter Bauteile,
- Rückbau von baulichen Anlagen (z.B. Gebäude, Leitungen, Tanks, Fundamente),
- Entsorgung von belastetem Bodenaushub und Wasser.
Förderfähig im Rahmen der vorstehenden Flächenrecycling-Maßnahmen sind auch besondere Anforderungen wie
- Wasserhaltungsmaßnahmen,
- Tiefgründungen,
- Arbeitsschutz,
- Sicherung gegen Deponiegas.
2.5 Nicht gefördert werden
- die Wiederherrichtung von Gebäuden, Gartenanlagen u.a. Investitionen der Nachnutzung,
- Kreditbeschaffungs-, Vor- und Zwischenfinanzierungskosten,
- Kosten, die aufgrund von Rechtsvorschriften von Dritten zu erstatten sind,
- Grunderwerbskosten und die damit im Zusammenhang stehenden weiteren Kosten,
- Kosten für die Beschaffung und den Betrieb von Fahrzeugen,
- Kosten für Richtfeste, Abnahmen oder Einweihungen,
- Entschädigungen aller Art,
- Verwaltungsaufwand und Eigenleistungen der Bauträger,
- Gebühren einer anderen Behörde derselben Gebietskörperschaft.
3 Zuwendungsempfänger
Zuwendungsberechtigt sind
- Kreise und kreisfreie Städte,
- Gemeinden, Ämter und amtsfreie Gemeinden sowie
- juristische Personen des privaten Rechts, deren Geschäftszweck auf den Erwerb, die Veräußerung oder die Verwaltung von Grundstücken gerichtet ist, soweit eine kommunale Mehrheitsbeteiligung vorliegt.
4 Zuwendungsvoraussetzungen
4.1 Voraussetzung für die Gewährung einer Zuwendung ist, dass mit der Durchführung des Vorhabens noch nicht begonnen worden ist.
Ausnahmen kann die Bewilligungsbehörde auf schriftlichen Antrag vor Beginn der Maßnahmen zulassen. Durch eine solche Ausnahme wird ein Rechtsanspruch auf eine spätere Förderung nicht begründet.
Die Einholung von Auskünften beim Kampfmittelräumdienst gilt nicht als Beginn des Vorhabens.
4.2 Voraussetzung für die Förderung einer Maßnahme nach Nummer 2.1.1 und 2.1.2 ist die Führung der Fläche im Altlastenkataster bzw. in den Prüfverzeichnissen oder Archiven.
4.3 Eine Maßnahme nach Nummer 2.1.3 wird nur gefördert, wenn die Durchführung von der zuständigen Behörde angeordnet oder die Verantwortlichkeit des Antragstellers nach § 4 BBodSchG im Antrag dokumentiert ist.
4.4 Voraussetzung für die Gewährung einer Zuwendung nach Nummer 2.2 ist, dass die Altlast in das Altlastenkataster aufgenommen worden ist und eine Gefährdungsabschätzung entsprechend § 9 BBodSchG und den Bestimmungen der BBodSchV durchgeführt wurde. Bei Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 174 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) ist eine ordnungsbehördliche Anordnung ausreichend.
4.5 Für die Untersuchung und Sanierung von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten oder für das Flächenrecycling sind Fördermittel des Bundes und der Europäischen Union oder Fördermittel des Landes aufgrund anderer Rechtsgrundlagen sowie Zuschüsse von dritter Seite vorrangig auszuschöpfen. Bei Nichtbeantragung öffentlicher Fördermittel erfolgt eine fiktive Anrechnung.
Unberührt hiervon bleiben die förderungsrechtlichen Bestimmungen für städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und Entwicklungsbereiche.
4.6 Sachverständige und Untersuchungsstellen
Zur Durchführung der Maßnahmen nach Nummer 2 sind zugelassene Sachverständige und Untersuchungsstellen nach § 18 BBodSchG zu beauftragen.
Ausnahmen sind in begründeten Fällen möglich.
4.7 Voraussetzung für die Förderung von Maßnahmen nach Nummer 2.4 ist die Vorlage eines Konzeptes für die Nachnutzung der wieder nutzbar gemachten Flächen zur gewerblichen Nutzung, zu Wohnzwecken einschließlich entsprechender Ausgleichmaßnahmen oder als grüne Infrastruktur.
5 Art, Umfang und Höhe der Zuwendung
5.1 Die Zuwendungen werden zur Deckung von Ausgaben der Zuwendungsempfängerin oder des Zuwendungsempfängers für einzelne abgegrenzte Vorhaben gewährt (Projektförderung gemäß VV Nummer 2.1 zu § 23 LHO).
5.2 Die Zuwendungen werden als Anteilsfinanzierung bereitgestellt und als nicht rückzahlbarer Zuschuss bewilligt.
5.3 Bemessungsgrundlage sind die nachweisbaren zuwendungsfähigen Ausgaben, die unter Anlegung eines strengen Maßstabes für eine sparsame, zweckmäßige und wirtschaftliche Durchführung der unter Nummer 2 genannten Maßnahmen entstehen.
5.4 Die zuwendungsfähigen Gesamtausgaben müssen für Maßnahmen
- nach Nummer 2.1, 2.2.1, 2.2.2, 2.2.4 oder 2.3 mindestens 2.000 EUR,
- nach Nummer 2.2.3 oder 2.4 mindestens 50.000 EUR
betragen.
Ausnahmen sind zulässig, insbesondere wenn nachgewiesen wird, dass die Kosten der Maßnahmen die finanziellen Möglichkeiten des Zuwendungsempfängers übersteigen.
5.5 Die Zuwendung beträgt für Maßnahmen nach
- Nummer 2.1 und 2.3 bis zu 75 vom Hundert der zuwendungsfähigen Ausgaben.
- Nummer 2.2 und 2.4 bis zu 50 vom Hundert der zuwendungsfähigen Ausgaben.
Ausnahmen zu den o.g. Förderquoten sind in begründeten Fällen möglich.
5.6 Es gelten gemäß VV-K Nummer 13 zu § 44 LHO die Erleichterungen bei der Gewährung von Zuwendungen an Kommunen bis zu einer Höhe von 500.000 EUR.
5.7 Im Falle einer De-minimis-Förderung (siehe Nummer 1.2) ist zu beachten, dass der Gesamtbetrag sämtlicher von einem Mitgliedstaat einem einzigen Unternehmen gewährten De-minimis-Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 200.000 EUR nicht übersteigen darf.
5.8 Eine De-minimis-Förderung nach dieser Richtlinie ist mit anderen Förderungen nur insofern und insoweit kumulierbar, als dies nach Artikel 5 der Deminimis-Verordnung zulässig ist und dadurch die jeweils einschlägigen höchsten Beihilfeintensitäten oder Förderbeträge nicht überschritten werden.
6 Sonstige Zuwendungsbestimmungen
6.1 Kostenerstattung
Für die Kosten der Maßnahmen, die im Wege der Ersatzvornahme oder unmittelbaren Ausführung durchgeführt werden, sind die Pflichtigen von der zuständigen Behörde nach § 24 Abs. 1 BBodSchG in Verbindung mit den Vollstreckungsregelungen nach §§ 262 ff. LVwG heranzuziehen. Nach erfolgter Kostentragung durch die Pflichtigen ist die Zuwendung anteilig zu erstatten.
6.2 Wertausgleich
Wird für Maßnahmen nach Nummer 2.2 (Sanierung von Altlasten) ein Wertausgleich entsprechend § 25 BBodSchG vom Eigentümer an die zuständige Behörde geleistet, so ist nach erfolgter Zahlung des Ausgleichsbetrages die Zuwendung anteilig zu erstatten.
7 Verfahren
Bewilligungsbehörde ist das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein. Die Antragsunterlagen sind bei der Bewilligungsbehörde anzufordern.
7.1 Antragsverfahren
Der Antrag auf Gewährung einer Zuwendung ist der Bewilligungsbehörde in einfacher Ausfertigung mit folgenden Unterlagen vorzulegen:
- Erläuterung des Vorhabens, Art und Umfang der geplanten Maßnahmen,
- für Maßnahmen nach Nummer 2.1 sind der Bewertungsbogen bzw. das Klassifizierungsergebnis vorzulegen,
- Lageplan, aus dem das zu fördernde Vorhaben und die Gesamtmaßnahmen ersichtlich sind,
- Angaben zu den bisher durchgeführten Maßnahmen und vorhandenen Unterlagen,
- Kopien erforderlicher Unterlagen nach Vorgaben der Prüf- oder Bewilligungsbehörde (in einfacher Form),
- Kostenermittlung einschließlich der zuwendungsfähigen Ausgaben und
- gegebenenfalls Zuwendungen Dritter.
7.2 Auszahlung von Zuwendungen
Die Anforderungen auf Auszahlung von Zuwendungen sind an die Bewilligungsbehörde zu richten.
7.3 Verwendungsnachweisverfahren
Für die Zuwendung ist ein Verwendungsnachweis zu erbringen.
7.4 Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die gegebenenfalls erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die VV/VV-K zu § 44 LHO i.V.m. der entsprechenden Regelung des Landesverwaltungsgesetzes (§§ 116, 117, 117 a LVwG), soweit nicht in dieser Förderrichtlinie Abweichungen zugelassen worden sind.
7.5 Ergibt sich bei der Anwendung dieser Richtlinie eine im Einzelfall nicht beabsichtigte Härte oder liegen besondere landespolitische Interessen vor, können vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung im Einvernehmen mit dem Finanzministerium Ausnahmen zu gelassen werden.
7.6 Im Falle staatlicher Beihilfen sind für die Prüfung des Antrags und für das Bewilligungsverfahren neben dieser Richtlinie die Regelungen der De-minimis-Verordnung maßgeblich.
8 Geltungsdauer
Diese Richtlinie tritt am 1. Juli 2021 in Kraft und gilt bis zum 30. Juni 2026.
Bei einer relevanten Änderung der zugrunde liegenden De-minimis-Verordnung oder einem Ersetzen der Verordnung mit einer für die Umsetzung dieser Richtlinie wesentlichen anderen Regelung wird diese Richtlinie an die neuen, geänderten beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Kommission angepasst.
*) Verordnung (EU) Nummer 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (Abl. EU L 352/1 vom 24. Dezember 2013) i.d.F. der Verordnung (EU) 2020/972 vom 2. Juli 2020 (Amtsbl. EU L 215/3 vom 7. Juli 2020).