Richtlinie
Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von ambulanten sozialpädagogischen Angeboten der Jugendhilfe für junge Straffällige
Gem. Erl. d. MS, d. MI u. d. MJ v. 30.11.2020
– 306-51240 –
– VORIS 21130 –
1. Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage
1.1 Das Land gewährt gemäß § 12 Nds. AG SGB VIII, nach Maßgabe dieser Richtlinie und der VV/VV-Gk zu § 44 LHO Zuwendungen für ambulante sozialpädagogische Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige.
1.2 Ziel ist, dass in Niedersachsen möglichst flächendeckend Leistungsangebote der Jugendhilfe bestehen, die jungen Straffälligen sozial verantwortliches Handeln, Wiedergutmachung und Konfliktaufarbeitung aufzeigen und so zu Kenntnissen, Erfahrungen und Verhaltensweisen führen, die für eine künftige Legalbewährung und soziale Integration förderlich sind, um mit der Nutzung dieser Angebote möglichst weitgehend auf die Verhängung von Jugendarrest und Jugendstrafen nach dem JGG verzichten zu können.
1.3 Junge Straffällige sind straffällige Jugendliche und Heranwachsende, gegen die ein strafrechtliches Verfahren geführt wird oder wurde (§§ 10, 23, 29, 45, 47 JGG) und straffällige Jugendliche und junge Volljährige bis zur Vollendung des 21.Lebensjahres mit besonderem Jugendhilfebedarf (§§ 13, 27 ff., 41 SGB VIII) oder einem der Straffälligkeit angemessenen sozialpädagogischen Hilfebedarf.
1.4 Ein Anspruch des Antragstellers auf die Gewährung der Zuwendung besteht nicht, vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
2. Gegenstand der Förderung
2.1 Gegenstand der Förderung sind die entstehenden Personalausgaben für das Fachpersonal und die Honorarausgaben zur Durchführung von
2.1.1 sozialer Gruppenarbeit oder sozialen Trainingskursen, auch in Form von trägerübergreifenden Kooperationsprojekten,
2.1.2 Einzelbetreuung, z.B. Betreuung durch eine Betreuungshelferin oder einen Betreuungshelfer, soweit diese nicht durch die Jugendgerichtshilfe oder anderweitig sichergestellt ist, und
2.1.3 Täter-Opfer-Ausgleich; Täter-Opfer-Ausgleich i.S. dieser Richtlinie sind alle Angebote, die in den Begriff „Restorative Justice“ im strafrechtlichen Kontext fallen, soweit sie der Zielsetzung der Nummer 1.2 entsprechen.
2.2 Förderfähig sind Angebote zu den Nummern 2.1.1 und 2.1.2 auch dann, wenn sie im Zusammenhang mit der Erbringung von Arbeitsleistungen stehen.
3. Zuwendungsempfänger
Zuwendungsempfänger sind die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe gemäß § 69 Abs. 1 und § 75 SGB VIII sowie § 1 Nds. AG SGB VIII.
4. Zuwendungsvoraussetzungen
4.1 Fachkraftgebot
Eine Förderung kann nur erfolgen für Projekte, in denen Personen beschäftigt sind, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben und in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen. Anerkannt werden Fachkräfte mit abgeschlossenem Studium der Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder vergleichbarem akademischen Abschluss mit Erfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe oder etwaiger Zusatzausbildungen.
Eine Förderung erfolgt für Projekte, in denen mindestens eine Person mit einem Umfang von 50% einer vollen Stelle beschäftigt ist.
Eine Förderung kann auch für Honorarkräfte erfolgen, wenn dem Träger eine fachgerechte Qualifikation nachgewiesen wird oder deren Einsatz der Erweiterung und sinnvollen Ergänzung der Angebote in der jeweiligen Einrichtung dient.
4.2 Einzelfallbezogene Förderpläne/Hilfepläne, Falldokumentation
Es sind Förderpläne oder Hilfepläne zu erarbeiten, an denen die jungen Straffälligen gemäß § 8 SGB VIII zu beteiligen sind. Beim Täter-Opfer-Ausgleich erfolgt eine Falldokumentation.
4.3 Fallzahlen
4.3.1 Die Anzahl der betreuten jungen Straffälligen soll in der Regel 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer pro Jahr und vollzeitbeschäftigter Fachkraft betragen. Maßgeblich sind die im Berichtsjahr neu hinzugekommenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Gezählt werden auch die jungen Menschen, die im Rahmen der Nachbetreuung nach Beendigung ihrer justiziellen Weisung oder die im Vorfeld der Jugendgerichtsverhandlung auf Empfehlung der Jugendgerichtshilfe freiwillig an dem ambulanten sozialpädagogischen Angebot teilnehmen.
4.3.2 Beim Täter-Opfer-Ausgleich soll die Anzahl bei vollzeitbeschäftigten Fachkräften, die ausschließlich im Täter-Opfer-Ausgleich tätig sind, ohne Anrechnung von Verwaltungstätigkeiten 80 Fälle pro Jahr betragen.
Bei Ausgleichsverfahren
- mit Gruppen von mindestens drei Beschuldigten oder Geschädigten,
- unter Einbeziehung von Beteiligten als aktive Ausgleichsteilnehmerinnen oder Ausgleichsteilnehmer, die nicht Beschuldigte oder Geschädigte der vorliegenden Tat sind,
- bei denen aufgrund der Komplexität des Falles, aufgrund des Delikts oder der Methodik der Einsatz von zwei Fachkräften geboten ist,
errechnet sich die Anzahl der Fälle i.S. der Kontrollberechnung aus der Anzahl der Beteiligten.
In allen anderen Verfahren entspricht eine Beschuldigte oder ein Beschuldigter einem Fall.
4.3.3 In der sozialpädagogischen Arbeit ist auch der persönliche Lebensraum der jungen Straffälligen einzubeziehen. Die Träger können daher auch andere junge Menschen zulassen. Der Anteil solcher Freiwilligen soll jedoch im Jahresdurchschnitt den Anteil derjenigen, die sich aufgrund von § 10 Abs. 1 JGG oder der §§ 45, 47 JGG an dem Angebot teilnehmen, nicht übersteigen und es dürfen sich für Letztere keine Wartezeiten ergeben.
4.4 Zusammenarbeit zwischen den Verfahrensbeteiligten
Die Teilnahme der Fachkräfte als Vertreterinnen und Vertretern der Projekte an institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit mit anderen am Jugendstraf- und Jugendhilfeverfahren Beteiligten, z.B. die Mitarbeit in fachbezogenen oder sozialräumlichen Netzwerken und die Zusammenarbeit mit Jugendamt, Gerichten und Staatsanwaltschaften, ist sicherzustellen.
5. Art und Umfang, Höhe der Zuwendung
5.1 Die Zuwendung wird als nicht rückzahlbarer Zuschuss im Rahmen einer Projektförderung als Anteilfinanzierung gewährt.
5.2 Die Höhe der Zuwendung beträgt jährlich
5.2.1 bis zu 50% der zuwendungsfähigen, projektbezogenen Personalausgaben, maximal jedoch 21.000 EUR pro Stelle und Jahr. Bei einer nicht das ganze Jahr durchgehend beschäftigten oder einer teilzeitbeschäftigten Fachkraft wird die Zuwendung anteilig bezogen auf die zuwendungsfähigen Personalausgaben gewährt;
5.2.2 bis zu 50% der zuwendungsfähigen, projektbezogenen Honorarausgaben bei einem Stundensatz von maximal 20 EUR.
5.3 Berechnungsgrundlage für die Höhe der Zuwendungen zu den Personalkosten sind die Tatverdächtigenbelastungszahlen (TVBZ) in der Altersgruppe der 14- bis unter 21-Jährigen von Jugendamtsbezirken.
Für die Bemessung ist die polizeiliche Kriminalstatistik der Polizeibehörden der jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte im zweiten Kalenderjahr vor dem Haushaltsjahr heranzuziehen, für das die Förderung beantragt wird.
Die TBVZ ist die Zahl der durch die Polizei ermittelten Tatverdächtigen, errechnet auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner des entsprechenden Bevölkerungsanteils.*) Die TVBZ der Landkreise und kreisfreien Städte in der Altersgruppe der 14- bis unter 21-Jährigen werden dem MS jährlich vom MI zur Verfügung gestellt. Die TVBZ können vor Antragstellung von den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe bei der Bewilligungsbehörde erfragt werden.
Die Anzahl der zu fördernden Stellen ergibt sich aus folgender Staffelung:
5.3.1 bis zu zwei Stellen für Jugendamtsbezirke mit einer TVBZ bis 9.000,
5.3.2 bis zu drei Stellen für Jugendamtsbezirke mit einer TVBZ bis 11.000,
5.3.3 bis zu vier Stellen für Jugendamtsbezirke mit einer TVBZ bis 13.000,
5.3.4 bis zu fünf Stellen für Jugendamtsbezirke mit einer TVBZ über 13.000.
5.4 Für Projekte, bei denen die angestrebten Teilnehmendenzahlen nach den Nummern 4.3.1 und 4.3.2 überschritten werden, kann die Anzahl der zu fördernden Stellen bis zu einer weiteren Stelle pro Projekt erhöht werden.
5.5 Für Projekte und Einrichtungen mit erschwerter verkehrstechnischer Erreichbarkeit durch Standorte in Gebieten mit großer flächenmäßiger Ausdehnung sowie für Projekte und Einrichtungen mit Veränderungen von Jugendamtsbezirken kann die Bewilligungsbehörde Ausnahmen von Nummer 5.3 zulassen.
5.6 Bei besonderem Aufwand der Projekte, insbesondere bei zusätzlichem Handlungsbedarf sowie bei innovativen Maßnahmen, die der Weiterentwicklung dieses Jugendhilfeangebots dienen, kann die Bewilligungsbehörde mit Zustimmung des MS Ausnahmen von Nummer 5.3 zulassen.
6. Sonstige Zuwendungsbestimmungen
6.1 Die Projektträger beteiligen sich an der Erfolgskontrolle und der Evaluation des Förderprogramms und stellen der Bewilligungsbehörde bis zum 31. März des Folgejahres erforderliche Daten in Form eines standardisierten Sachberichts zur Verfügung. Die Projektträger erklären ihre Bereitschaft, an der fachlichen Weiterentwicklung der ambulanten sozialpädagogischen Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige mitzuwirken und auf Grundlage der gewonnenen, aggregierten Daten an fachbezogenen Austauschen mit anderen Einrichtungen und der Bewilligungsbehörde teilzunehmen.
6.2 Die ambulanten sozialpädagogischen Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige sollen das Prinzip der Gleichstellung von Frauen und Männern und die spezifischen Lebenslagen junger Menschen (insbesondere junger Menschen mit Migrationshintergrund sowie junger Menschen mit Behinderung) angemessen berücksichtigen.
7. Anweisungen zum Verfahren
7.1 Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die VV/VV-GK zu § 44 LHO, soweit nicht in dieser Richtlinie Abweichungen zugelassen worden sind.
7.2 Bewilligungsbehörde ist das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, Domhof 1, 31134 Hildesheim.
7.3 Die Zuwendung wird jährlich auf Antrag bei der Bewilligungsbehörde gewährt. Der zu verwendende Vordruck wird von der Bewilligungsbehörde zur Verfügung gestellt. Zuwendungsanträge sind vor Beginn der Maßnahmen für das jeweilige Haushaltsjahr bis zum 15. November des Vorjahres einzureichen. Anträge von Trägern der freien Jugendhilfe sind über das Jugendamt an die Bewilligungsbehörde zu richten. Diese holt bei erstmaliger Förderung eine Stellungnahme der Präsidentin oder des Präsidenten desjenigen Landgerichts, ggf. des Amtsgerichts, sowie der Leitenden Oberstaatsanwältin oder des Leitenden Oberstaatsanwalts derjenigen Staatsanwaltschaft ein, in deren Bezirk das Angebot der Jugendhilfe vorgehalten wird.
7.4 Ein einfacher Verwendungsnachweis wird zugelassen.
8. Schlussbestimmungen
Dieser Gem. Erl. tritt am 1.1.2021 in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2025 außer Kraft.
*) TVBZ = Tatverdächtige (14 bis 21 Jahre) × 100.000/Einwohnerzahl (14 bis 21 Jahre).