Richtlinie
Förderrichtlinie Hamburger Partizipationsfonds
[Vom 2. Dezember 2022]
Ausgangslage
Dem Grundsatz der UN-BRK „Nichts ohne uns über uns“ folgend, zielt das Hamburgische Behindertengleichstellungsgesetz (HmbBGG) insbesondere auf die Stärkung der Selbst- und Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen. Mit §15a des Hamburgischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (HmbBGG) ist die Förderung der politischen Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen und der sie vertretenden Verbände auch gesetzlich verankert.
Hamburg verfügt über eine große Vielfalt von Organisationen von Menschen mit Behinderungen bzw. von ihren Angehörigen. Insbesondere kleine Verbände und Organisationen von Menschen mit Behinderungen verfügen oft über geringe finanzielle und personelle Ressourcen. Sie benötigen finanzielle Unterstützung, um niedrigschwellige Maßnahmen und Projekte umsetzen zu können, die die aktive Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft befördern.
Deshalb hat die Hamburger Bürgerschaft den Hamburger Partizipationsfonds eingerichtet und mit einem Fördervolumen von 150.000 EUR jährlich ausgestattet (Drucksache 22/4447). Im Sinne der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen hat die Sozialbehörde einen Beirat einberufen, der an der Auswahl der durch die Richtlinie zu fördernden Projekten beteiligt wird. Die Förderrichtlinie soll nach einer ersten Pilotphase hinsichtlich ihrer Zielerreichung und Wirksamkeit evaluiert und bei Bedarf anpasst werden.
1. Förderziele, Zuwendungszweck
1.1. Förderziele
Der Hamburger Partizipationsfonds verfolgt das Ziel, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände aktiv und auf Augenhöhe mit anderen Interessenvertretungen an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten teilhaben, diese mitgestalten und ihre Beteiligungsrechte angemessen und wirksam wahrnehmen können. Dabei liegt der Fokus vor allem auf der Selbstbefähigung (Empowerment) der Verbände von Menschen mit Behinderungen, ihre Interessen eigenständig und selbstbestimmt vertreten zu können.
1.2. Zuwendungszweck
Es sollen insbesondere Projekte, Maßnahmen und Aktivitäten gefördert werden, die einen der folgenden Aspekte erfüllen:
a) den Aufbau bzw. Ausbau von Kompetenzen zur Interessenvertretung bei ehrenamtlichen und hauptamtlichen Engagierten in den Organisationen
b) die Stärkung der Organisationsstrukturen. z.B. durch den Aufbau unterstützender hauptamtlicher Strukturen für das Ehrenamt, die Verbesserung der technischen Infrastruktur, gute Öffentlichkeitsarbeit oder eine gezielte Nachwuchsförderung
c) Erfahrungsaustausch, Koordination und Vernetzung mit anderen Selbstvertretungsorganisationen
d) Zugang zu behindertenspezifischen Hilfsmitteln/Nachteilsausgleiche und Assistenzleistungen.
Deshalb fördert der Partizipationsfonds insbesondere folgende Projekte, Maßnahmen und Aktivitäten:
- Durchführung von/Teilnahme an Fachveranstaltungen, Weiterbildungen und Qualifizierungsangeboten zur Stärkung der Fähigkeiten zur Selbstvertretung und zum Kompetenzaufbau
- Auf- und Ausbau von Organisationsstrukturen, z.B. Aufbau hauptamtlicher Strukturen, Anschaffung notwendiger technischer Ausstattung für die Organisation bzw. ihre Engagierten
- Maßnahmen zur Digitalisierung der Organisation, z.B. Anschaffung von notwendiger Hard- oder Software, fachspezifische Fortbildung und Beratung
- Maßnahmen zur Nachwuchsförderung, z.B. Aufbau von Angeboten für junge Menschen, gezielte Vorbereitung von Nachwuchskräften auf die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben in der Organisation (über Fortbildungen, Coaching o.Ä.).
- Erstellung barrierefreier Informationsmaterialien und Öffentlichkeitsarbeit.
- Erfahrungsaustausch, Koordination und Vernetzung der Selbstvertretungsorganisationen und Verbände untereinander
- Behinderungsspezifische Hilfsmittel und Nachteilsausgleiche (bspw. für die Teilnahme an Veranstaltungen oder Gremienarbeit) für ehrenamtlich oder hauptamtlich in der Organisation Tätige, insofern ein Anspruch nicht bereits auf anderer Grundlage besteht, durch Kostenübernahme für behinderungsbedingten Nachteilsausgleich. Förderbar sind beispielsweise die Übertragung von Texten in leichte Sprache, der Einsatz von Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschern und Schriftdolmetscherinnen oder die Nutzung technischer Hilfsmittel, die notwendig sind, um Aufgaben für die Organisation wahrnehmen zu können.
- Leistungen für Assistenz für ehrenamtlich oder hauptamtlich Tätige im Rahmen Ihrer Tätigkeit für die jeweilige Organisation insofern ein Anspruch nicht bereits auf anderer Grundlage besteht.
- sonstige Maßnahmen, die die Selbstbefähigung (Empowerment) der Organisationen bzw. ihrer Mitglieder fördern, ihre Interessen eigenständig und selbstbestimmt vertreten zu können
Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Zuwendung oder auf die Fortsetzung einer bereits geförderten Maßnahme wird durch diese Förderrichtlinie nicht begründet. Vielmehr entscheidet die Sozialbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung der fachlichen Schwerpunktsetzungen sowie im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
2. Zuwendungsempfangende
Antragsberechtigt sind gem. §15a HmbBGG gemeinnützig oder mildtätig anerkannte juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts mit Sitz bzw. Tätigkeitsschwerpunkt in Hamburg:
- deren satzungsgemäßes Ziel die Förderung der Hilfe für Menschen mit Behinderungen und insbesondere deren Selbstvertretung ist und
- deren Mitglieder überwiegend Menschen mit Behinderungen sind und die überwiegend von Menschen mit Behinderungen geleitet werden („Selbstvertretungsorganisation“) oder
- bei denen es sich um Organisationen der Angehörigen von Menschen mit Behinderungen handelt.
3. Zuwendungsvoraussetzungen
Zuwendungen können nur bewilligt werden, wenn eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheint und die Zuwendungsempfangenden in der Lage sind, die bestimmungsgemäße Verwendung der Zuwendung zu gewährleisten und nachzuweisen.
Zuwendungen dürfen nur für solche Projekte, Maßnahmen und Aktivitäten bewilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind. Ein Vorhaben ist begonnen, wenn entsprechende Lieferungs- oder Leistungsverträge abgeschlossen worden sind.
Der Sozialdatenschutz ist in vollem Umfang zu gewährleisten.
Weitere beantragte und bewilligte Fördermittel sind bei Antragstellung anzugeben. Ergänzungen zu bestehenden Förderungen sind möglich.
Bei der Erbringung von Leistungen müssen die Erfordernisse der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet werden.
4. Art und Umfang, Höhe der Zuwendung
4.1. Zuwendungsart
Die Zuwendung wird als Projektförderung gewährt.
4.2. Finanzierungsart
Die Zuwendung wird als Festbetragsfinanzierung gewährt.
4.3. Form der Zuwendung
Die Zuwendung wird als nicht rückzahlbarer Zuschuss gewährt.
4.4. Bemessungsgrundlage
Förderungsfähig sind die unter 1.2 genannten Förderzwecke im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.
In der Regel können auf der Grundlage eines mit dem Antrag einzureichenden Finanzierungsplans höchstens 5.000 Euro pro Projekt bewilligt werden. Im Ausnahmefall können bis zu 12.000 Euro pro Projekt bewilligt werden, wenn zum Zweck des Aufbaus von Organisationsstrukturen unter anderem auch Personalkosten anfallen.
Eine gesonderte Förderhöhe kann im Rahmen einer niedrigschwelligen Mikroförderung, die jedoch unter 1.500 Euro liegen muss, durch die Sozialbehörde unter Einbeziehung des Förderbeirats festgelegt werden (siehe dazu 6.1).
Die Bewilligung mehrerer Projektanträge einer Organisation ist grundsätzlich möglich. Es gilt ein Maximum von 15.000 Euro pro Organisation pro Förderjahr. Ausnahmen hiervon sind nur möglich, wenn noch ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
Über Ausnahmen entscheidet der Förderbeirat mit Zustimmung durch die Sozialbehörde.
Ziel ist es, dass möglichst viele Organisationen von den Mitteln des Partizipationsfonds profitieren können. Wenn die Summe beantragter Mittel die vorhandenen Mittel übersteigt, ist bei der Projektauswahl zu berücksichtigen, dass sich die Vielfalt von Behinderungen in den geförderten Projekten widerspiegelt. Zudem sind Erstanträge (i.e. Anträge von Organisationen, die noch keine Mittel aus dem Partizipationsfonds erhalten) prioritär zu prüfen.
Anrechenbare Projektausgaben sind:
- Sachausgaben (z.B. Verbrauchsmittel, Catering, Fahrtkosten gemäß des Hamburger Reisekostengesetzes)
- Verwaltungskosten
- anteilige Mietkosten/Raummieten z.B. für Veranstaltungen.
- Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit
- Honorare
- Aufwandsentschädigungen (innerhalb der steuerlichen Freibetragsgrenzen)
- für Hilfstätigkeiten bis zu 10,00 EUR pro Stunde
- für koordinierende Tätigkeiten, Übungsleiter und Gruppenleitungen bis zu 15,00 EUR pro Stunde
- Personalkosten
- Verwaltungskostenpauschale (mit dieser werden z.B. Porto, gesetzliche Versicherungen, Bewirtschaftungskosten und Abgaben (z.B. für die GEMA) abgedeckt).
- bei einem Antrag bis 5.000 EUR max. 250 EUR
- bei einem Antrag bis 12.000 EUR max. 600 EUR
- Sonstige projektbezogene Ausgaben
5. Nebenbestimmungen im Zuwendungsbescheid/Erfolgskontrolle
5.1. Nebenbestimmungen im Zuwendungsbescheid
Die Zuwendungsempfangenden weisen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf die Förderung durch die Sozialbehörde hin. Das Logo der Freien und Hansestadt Hamburg bzw. der Sozialbehörde ist auf allen Publikationen zu verwenden.
Darüber hinaus sind Zuwendungsempfangende verpflichtet, das Berichtswesen zu dieser Förderrichtlinie zu bedienen.
Die Sozialbehörde ist berechtigt, die aus den, im Zusammenhang mit dem Vorhaben eingereichten, Unterlagen ersichtlichen Daten auf Datenträger zu speichern und zu verarbeiten. Zulässig ist auch eine Auswertung für Zwecke der Statistik und der Prüfung über die Wirksamkeit des Projekts sowie eine Veröffentlichung der Auswertungsergebnisse in anonymisierter Form.
Es wird darauf hingewiesen, dass zur Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben Daten der Zuwendung nach § 7 Absatz 1 Datenschutzordnung der Hamburgischen Bürgerschaft in Bürgerschaftsdrucksachen veröffentlicht werden können und dass Zuwendungsdaten aufgrund des Hamburgischen Transparenzgesetzes in elektronischer Form im Informationsregister veröffentlicht werden. Personenbezogene Daten werden bei der Bezeichnung des Zuwendungszwecks nur genannt, sofern sie nicht aus Datenschutzgründen zu anonymisieren sind. Bürgerschaftsdrucksachen werden auch im Internet veröffentlicht.
5.2. Erfolgskontrolle (Zielerreichungskontrolle)
Auf Basis der Verwendungsnachweise (siehe 6.3) führt die Sozialbehörde eine Erfolgskontrolle des Förderprogramms durch.
Der Erfolg des Förderprogramms wird vor Ablauf der Förderrichtlinie evaluiert. Besonderes Augenmerk soll dabei auf der Auswertung der Handlungsfähigkeit des Förderbeirates, der bedarfsgerechten Förderziele sowie der Niedrigschwelligkeit des Antrags- und Abstimmungsverfahrens liegen. Anhand der Datenlage aus der Auswertung der Verwendungsnachweise wird beurteilt, ob das Förderprogramm in der Gesamtbewertung ausreichend und wirtschaftlich angemessen zur Erreichung der Ziele gemäß Ziffer 1.1 beiträgt.
Die Sozialbehörde bezieht den Förderbeirat in die Evaluation und Diskussion der Ergebnisse ein.
6. Verfahren
6.1. Antragsverfahren
Der Antrag wird ausschließlich digital über die Antragsplattform der BürgerStiftung Hamburg eingereicht. Bei Bedarf besteht die Möglichkeit einer persönlichen Beratung und praktischer Hilfestellung beim Ausfüllen des digitalen Antrags durch Personal der BürgerStiftung Hamburg.
Bewilligungen erfolgen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel durch einen schriftlichen Zuwendungsbescheid.
Im Förderjahr kann es mehrere Antragszyklen geben. Die Fristen dafür werden rechtzeitig über die Homepage der BürgerStiftung Hamburg und Sozialbehörde bekannt gegeben.
Im Sinne einer größtmöglichen Niedrigschwelligkeit, soll zusätzlich mit Einbeziehung des Förderbeirats ein Verfahren zur Bewilligung von Mitteln für kurzfristige Bedarfe bis maximal 1.500 Euro (so genannte „Mikroprojekte“) entwickelt und erprobt werden.
In der Umsetzung des Antragsverfahrens wird ein barrierefreier Zugang zu allen notwendigen Formularen und Informationsmaterialen angestrebt.
6.2. Bewilligungsverfahren
Die Sozialbehörde beruft für die Dauer von zwei Jahren einen ehrenamtlichen Förderbeirat zum Partizipationsfonds. Im Beirat sollen überwiegend Menschen mit Behinderungen oder Angehörige von Menschen mit Behinderungen vertreten sein.
Der Beirat tagt unter Leitung des für die Förderung zuständigen Fachreferats der Sozialbehörde. Dem Beirat obliegt die Aufgabe, zu den eingegangenen Anträgen Förderempfehlungen abzugeben. Er gibt Empfehlungen für die Auswahl der durch die Richtlinie zu fördernden Projektanträge ab, die von der Sozialbehörde als grundsätzlich förderfähig eingestuft wurden.
Das Verfahren für die Abstimmung des Beirats wird in einer Geschäftsordnung geregelt.
6.3. Nachweis der Verwendung (Zweckerreichungskontrolle)
Als Nachweis der zweckentsprechenden und ordnungsgemäßen Mittelverwendung müssen Zuwendungsempfangenden nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes einen Sachbericht und einen zahlenmäßigen Verwendungsnachweis vorlegen. Im Sachbericht ist darauf einzugehen, inwieweit die angestrebten Maßnahmen umgesetzt werden konnten und welcher Erfolg damit erzielt wurde. Der Erfolg ist nachgewiesen, wenn mindestens einer der unter 1.2 genannten Zuwendungszwecke (siehe § 1.2. a)–d)) erfüllt wurde.
Der zahlenmäßige Verwendungsnachweis ist durch eine Belegliste zu ergänzen, auf deren Basis einzelne Belege abgefordert werden können.
Handelt es sich um eine einmalige Anschaffung oder z.B. um regelmäßige Kosten, dann könnte im Nachhinein mit Beleg oder aber im Voraus nach voraussichtlichem Bedarf für einen festzulegenden Zeitraum ausgezahlt werden.
Weitere Anforderungen können im Zuwendungsbescheid festgelegt werden.
6.4. Abforderungs- und Auszahlungsverfahren
Um das durch die Förderrichtlinie angestrebte Ziel zu erreichen, wird abweichend von der ANBest-P folgendes geregelt. Die Zuwendung wird bei einer Förderung von bis einschließlich 5.000 Euro nach Bescheiderteilung in einer Rate ausgezahlt. Wird ein Projekt mit einem Betrag von bis einschließlich 12.000 Euro gefördert, wird die Projektförderung in zwei Raten ausgezahlt. Die erste Ratenzahlung erfolgt dabei nach Erteilung des Zuwendungsbescheides. Die zweite Rate wird nach schriftlicher Abforderung ausgezahlt. Liegt die Fördersumme über 12.500 Euro wird die erste Rate erst nach Rechtskraft des Bescheides ausbezahlt.
6.5. Zu beachtende Vorschriften
Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest.-P-) der Anlage 2 VV zu § 46 Landeshaushaltsordnung (LHO) der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Regelungen des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes bzw. des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – bleiben unberührt.
7. Inkrafttreten und Befristung
Diese Förderrichtlinie tritt mit der Veröffentlichung in Kraft und endet zunächst am 31.12.2024.